
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Der Traum
Kapitel 2: Mehargi Kih
Kapitel 3: Der Tropfen
Kapitel 4: Ursprung
Kapitel 5: Gespräche
Kapitel 6: Rückkehr
Einleitung
Was würdest du tun, wenn dir ein Wesen aus einer anderen Welt eine Reise durchs Universum anbietet? Kein Märchen, kein Science-Fiction, sondern eine reale Erfahrung. Du würdest alles sehen. Alles verstehen. Du würdest erkennen, wie das Universum wirklich funktioniert – jenseits von Modellen, Theorien und menschlichen Vorstellungen. Doch der Preis wäre hoch: Während für dich nur Wochen vergehen, vergehen auf der Erde 64 Jahre. Wenn du zurückkehrst, ist nichts mehr wie zuvor. Niemand, den du liebst, wird noch leben. Würdest du es trotzdem tun?
Ich habe es getan. Dies ist mein Bericht.
Kapitel 1: Der Traum
Die Nacht war wie jede andere. Nichts kündigte an, was passieren würde. Kein Lichtblitz, keine Stimme aus dem Himmel. Nur Schlaf. Und ein seltsamer Traum.
Ich war in einem Raum, den es nicht gab. Er hatte keine Wände, kein Licht, kein Geräusch. Und doch war ich da. Wach. Wach wie noch nie. Ich spürte etwas. Eine Präsenz. Kein Mensch. Kein Tier. Etwas Größeres. Etwas Ruhiges. Es war nicht beängstigend – eher… ehrfürchtig.
Dann kam ein Bild. Keine Sprache. Nur ein Bild, das sich direkt in mein Bewusstsein legte. Eine galaktische Landschaft, so weit, so tief, dass ich selbst darin verschwand. Und plötzlich war da ein Tropfen. Er schwebte. Bewegte sich. Atmete. Er war nicht aus Wasser. Er war aus Raum. Ein Tropfen, der sich nach außen zog, vibrierte, zurückwölbte. Ich verstand nicht, was ich sah – aber ich wusste, dass es echt war.
Dann kam das Angebot. Nicht ausgesprochen, sondern hineingelegt in mich.
„Wenn du willst, kannst du mitkommen.“
Eine Reise durchs Universum. Du wirst sehen, was niemand gesehen hat. Du wirst verstehen, was niemand versteht. Aber du wirst einen Preis zahlen.
64 Erdenjahre.
So lange würde die Erde altern, während für dich nur ein kurzer Moment vergeht. Wenn du zurückkehrst, ist nichts mehr wie es war. Keine Familie, keine Freunde, kein Zuhause. Alles Vergangenheit. Alles tot.
Ich hätte ablehnen können. Ich hätte sagen können: Das ist zu viel. Zu endgültig. Zu traurig.
Aber ich sagte ja.
Unter einer Bedingung.
Ich wollte Odin mitnehmen. Meinen Hund. Ein Xoloitzquinkle (mexikanischer Nackthund), adoptiert in Mexiko, kurz bevor alles begann. Er war immer bei mir. Stumm. Wachsam. Ein Blick von ihm war mehr als tausend Worte. Wenn ich schon alles hinter mir lasse – dann wenigstens nicht ihn.

Die Antwort kam sofort. Nicht zögernd. Nicht überrascht. Einfach nur:
„Das ist möglich.“
Und dann ein Name. Direkt in mein Bewusstsein gelegt.
Mehargi Kih.
Er würde kommen. Er war mein Ansprechpartner. Mein Begleiter. Mein… Fremder Freund.
Ich erwachte nicht mit Angst. Nicht mit Zweifel. Ich war ruhig.
So ruhig, dass ich es sofort wusste: Das war kein Traum.
Drei Tage später stand er da.
Nicht aus einem Raumschiff. Nicht aus Licht. Einfach da.
Odin lag im Garten, döste in der Sonne. Und neben ihm stand er.
Mehargi Kih.
Groß. Ruhig. Keine Angst. Kein Mensch. Kein Tier. Kein Roboter.
Etwas dazwischen. Oder darüber. Sein Blick war wach. Seine Gestalt seltsam fließend. Organisch. Technologisch. Etwas, das von Natur und Verstand zugleich erschaffen worden war. Er sah mich an, als hätte er mich schon tausendmal gesehen. Nicht neugierig. Nicht bewertend. Einfach wissend.
Ich trat hinaus. Keine Panik. Keine Flucht. Nur ein Schritt.
Odin sah mich an und wedelte. Er hatte keine Angst. Kein Misstrauen. Nur dieses stille: Es ist soweit.
Mehargi Kih sprach nicht. Aber ich hörte ihn. Direkt im Kopf.
„Du hast zugestimmt. Ich bin hier, um dich zu begleiten.“
Ich nickte. Nicht, weil ich verstanden hatte. Sondern weil es sich richtig anfühlte.
Wir würden gehen.
Die Reise durchs Universum hatte begonnen.
Nicht in der Zukunft. Nicht irgendwann. Jetzt.
Kapitel 2: Mehargi Kih
Ich erinnere mich an jedes Detail. An das seltsame Flimmern um seine Konturen. Als ob seine Haut nicht ganz fest war. Als ob Licht ihn nicht vollständig greifen konnte. Er war groß – etwa zwei Meter, aber nicht wuchtig. Schlank. Beweglich. Und doch absolut ruhig. Seine Bewegungen hatten nichts Menschliches. Kein Zögern, kein Ausbalancieren. Er bewegte sich, als wäre er im Einklang mit etwas, das wir nicht sehen. Vielleicht war er das.
Seine Augen – oder das, was ich dafür hielt – wirkten nicht wie Linsen, sondern wie Türen. Nicht starr, nicht glänzend, sondern tief. Und sie wechselten die Farbe. Manchmal in Sekundenschnelle. Kein Effekt, kein Spiel. Ich hatte das Gefühl, seine Augen sprachen. Nicht in Worten, sondern in Stimmungen. In Frequenzen.
Ich fragte ihn – nicht laut, sondern in Gedanken – was er sei.
Und er antwortete. Direkt. Klar. Ohne Umweg.
„Ich bin ein Trägerkörper. Mein Bewusstsein wurde auf diesen Körper hochgeladen. Er wurde biologisch erzeugt, nicht geboren. Ich kann ihn verlassen, wenn er beschädigt wird und einen neuen übernehmen.“
Er sagte das, als wäre es das Normalste der Welt. Kein Stolz. Keine Überlegenheit. Nur Fakt.
Ich fragte ihn, ob er essen oder schlafen muss – keine Ahnung wieso mir diese Frage kam.
Er sah mich an – und ich spürte ein kurzes Vibrieren in meinem Kopf. Kein Lachen, aber etwas, das ähnlich war.
„Wir ernähren uns von elektromagnetischer Schwingung. Nahrung ist ein primitiver Umweg. Wir nehmen Energie direkt auf. Wir ruhen nicht. Wir wechseln in einen Upgradestatus. Aber Schlaf im menschlichen Sinn ist uns fremd.“
Er drehte sich leicht zur Seite und ließ seine Hand über eine Pflanze gleiten. Keine Berührung – aber die Pflanze veränderte sich. Ganz leicht. Sie richtete sich auf. Ich fragte nicht, was das war. Ich war noch nicht so weit.
Er erklärte mir, dass sein Volk Teil eines kollektiven Bewusstseins ist. Jeder Gedanke, jede Erinnerung, jede Erfahrung – sofort abrufbar für alle. Und doch hat jeder ein Ich. Eine Identität. Wie Tropfen in einem Ozean: individuell geformt, aber aus demselben Wasser. Diese Reise durchs Universum, die ich mit ihm antreten würde, war nicht nur seine Aufgabe. Sie war Teil seiner Geschichte. Seiner Entwicklung.
„Ich bin 834.222 Erdenjahre alt. Doch das bedeutet wenig. Wir messen nicht in Dauer, sondern in Tiefe.“
Ich fragte ihn, warum er ausgerechnet mich ausgesucht hat.
Er antwortete nicht sofort. Stattdessen wandte er sich Odin zu. Mein Hund blickte ihn an. Ein Blick, den ich kannte – ruhig, wach, prüfend. Odin stand auf, lief einmal um ihn herum und setzte sich wieder hin.
„Du bist ein Splitter aus einer alten Linie. Du trägst Fragmente von uns. Und du hast etwas bewahrt, das die meisten verloren haben: die Fähigkeit, zu sehen, ohne zu filtern.“
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Also schwieg ich.
Er erzählte mir mehr – oder zeigte es mir. Mehargi Kih kommunizierte nicht mit Sprache, sondern mit Bildern, Konzepten, Empfindungen. Ich erlebte seine Welt in Sequenzen, die sich in meinen Geist legten wie Erinnerungen, die ich nie hatte. Ich sah riesige Raumstrukturen, die sich selbst reparierten. Sphären aus Licht, in denen Bewusstsein gespeichert war. Wesen, die wie Nebel schwebten, aber ganze Archive in sich trugen. Es war keine Märchenwelt. Es war eine alte, mächtige, stille Realität.
Diese Reise durchs Universum war für ihn keine Show. Kein Experiment. Sie war eine Weitergabe. Eine Offenbarung.
Er zeigte mir, wie sie geboren werden: nicht in Gebärmüttern, sondern in Feldern. Der Körper wächst in einem biologisch-technischen Inkubator, gespeist von Frequenzmustern. Das Bewusstsein wird hineingelegt – nicht kopiert, sondern transferiert. Wie Licht in einen neuen Spiegel. Wenn ein Körper zerstört wird, wird das Bewusstsein extrahiert und neu verankert. Der Tod ist ihnen fremd. Was für uns ein Ende ist, ist für sie ein Wechsel. Wie das Umsteigen von einem Boot ins nächste.
Ich fragte ihn, ob sie Gefühle haben.
Er blickte mich an. Und es war, als würde er gleichzeitig ja und nein sagen.
„Wir erleben. Aber nicht wie ihr. Unsere Wahrnehmung ist flacher in der Emotion, aber tiefer in der Verbindung. Was ihr Liebe nennt, nennen wir Resonanz. Es ist nicht weniger – nur anders.“
Es war nicht kalt, was er sagte. Es war still. Wahr. Ich spürte keinen Mangel. Ich spürte Tiefe.
Und irgendwann an diesem Tag, als die Sonne fast unterging, fragte ich ihn, wie unsere Reise beginnen würde.
„Sie hat längst begonnen. Du hast bereits den wichtigsten Schritt getan: Du hast losgelassen.“
Ich blickte zu Odin. Er lag neben mir, döste. Und ich wusste: Ich war bereit.
Diese Reise durchs Universum…
Sie würde alles verändern.
Kapitel 3: Der Tropfen

Teil 1 – Die Oberfläche des Kosmos
Wir verließen die Erde nicht mit einem Start, nicht mit einem Countdown, nicht mit Rauch. Es war kein Flug, sondern ein Übergang. Ein sanftes Kippen des Raums, als würde man in einen anderen Aggregatzustand der Realität gleiten. Ich spürte keinen Ruck, kein Ziehen, kein Losreißen. Nur ein leiser Druck im Hinterkopf – und dann war alles anders.
Die Sterne standen nicht mehr da, wo ich sie kannte. Der Himmel war nicht mehr schwarz, sondern eine Art tiefes, fließendes Blau, durchzogen von Adern aus Licht. Es war kein Weltraum, wie ihn unsere Wissenschaft beschreibt – kein Vakuum mit Punkten. Es war wie das Innere eines Körpers. Lebendig. Strukturiert. Atmend.
Mehargi Kih stand neben mir – oder schwebte. Ich wusste es nicht genau. Es gab keinen Boden, keine Decke, keine Richtung. Und doch war alles eindeutig. Seine Stimme war da, wieder in meinem Kopf.
„Du befindest dich an der Oberfläche.“
Ich verstand nicht. Oberfläche wovon?
Dann zeigte er es mir.
Nicht als Vortrag, sondern als Erlebnis. Plötzlich war ich nicht mehr nur Beobachter – ich war Teil des Raums selbst. Ich spürte die Spannung, die sich durch das Gewebe zog. Eine Kraft, die ständig arbeitete, sich dehnte, zuckte, zurückschnellte. Ich sah Linien, Wellen, Ausbuchtungen – wie bei einer Wasserhaut, die jemand angestoßen hatte. Diese Oberfläche war nicht glatt. Sie war gestört. Dynamisch. Verletzt.
„Was du siehst, ist der Moment nach der Kollision. Zwei Felder. Zwei Realitäten. Sie trafen aufeinander – nicht in Zeit, sondern in Struktur.“
Ich sah, wie sich die Struktur verformte. Wie sie sich dehnte, ausbeulte, aufwölbte. Und auf dieser Oberfläche – Materie. Winzige Punkte, winzige Muster. Sie bewegten sich nicht eigenständig. Sie wurden gezogen. Durch die Spannung. Durch die Rückkehrkraft.
Die Sterne, die Galaxien, die Nebel – sie waren keine aktiven Teilchen, sondern passive Passagiere. Mitgerissen von einer Bewegung, die älter war als Zeit. Es war nicht Raum, der sich dehnte – sondern die Brane, die sich zurückformte. Das, was wir Expansion nennen, war eine Wundheilung.
Ich begriff: Die Materie war auf der Haut dieses Kosmos verteilt. Nicht im Raum – sondern auf der Grenze zwischen Zuständen. Und ich war Teil davon.
„Du bist aus dieser Spannung geboren. Dein Körper, dein Planet, deine Sonne – alles sitzt auf dieser Membran. Ihr lebt auf der Haut eines vibrierenden Traumas.“
Ich schwieg. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, nicht winzig, sondern gewollt zu sein. Nicht bedeutungslos, aber auch nicht besonders. Ich war ein Teil einer Bewegung – wie ein Regentropfen auf einem Ozean, der gerade zurückatmet.
Mehargi Kih führte mich weiter oder ließ mich treiben. Ich weiß es nicht.
Wir kamen an Regionen vorbei, in denen das Gewebe dünner war. Dort, wo sich Kräfte stauten, entstanden Galaxienhaufen. Wie Strudel. Nicht durch Gravitation im herkömmlichen Sinn – sondern durch Spannungsausgleich. Ich sah, wie sich Materie sammelte, nicht weil sie sich anzog, sondern weil sie vom Rest weggedrückt wurde. Gravitation war kein Ziehen – es war ein Drücken aus der Struktur heraus. Ein Rückstau. Eine Störung.
Und dann der Schock.
Ich sah eine dunkle Region. Keine Sterne. Kein Licht. Nur Druck. Eine Kuhle. Eine Wölbung nach innen. Dort sammelte sich Materie wie an einer Narbe. Und in der Mitte: absolute Dichte. Nicht durch Masse, sondern durch Widerstand. Ich erkannte: Dort entstehen Schwarze Löcher. Nicht weil sie Masse verschlingen – sondern weil sie der Moment sind, in dem das Gewebe selbst versagt. Reißt. Rückfällt.
„Das sind keine Tore. Keine Tunnel. Das sind Schmerzen. Die Rückkehrpunkte der Struktur.“
Ich spürte es. Nicht als Metapher. Als Realität. Als Schmerz. Die Brane selbst erinnerte sich. Sie zitterte. Ich spürte ihre Angst. Oder was ihr am nächsten kam.
Und dann – Stille.
Ein riesiger, ebener Bereich. Keine Bewegung. Kein Licht. Nur Tiefe. Und dann verstand ich: Das war der Ursprung. Der erste Stoß. Der Punkt der Kollision. Von dort aus hatte sich alles ausgebreitet. Eine Narbe. Und doch: der Anfang von allem.
Ich schloss die Augen – und hörte die Struktur singen.
Nicht als Ton. Als Schwingung. Alles vibrierte. Alles trug dieselbe Frequenz. Es war ein riesiger, kosmischer Ton. Und plötzlich wusste ich: Das ist die Hintergrundstrahlung, die wir messen. Nicht das Echo eines Knalls. Sondern das Summen einer angespannten Oberfläche.
Ich öffnete die Augen – und weinte.
Nicht vor Angst. Nicht vor Erleuchtung. Sondern vor einer Wahrheit, die so einfach war, dass sie alles zerstörte, was ich je geglaubt hatte.
Ich sah Mehargi Kih an.
Er nickte.
„Jetzt bist du bereit für das Innere.“
Teil 2 – Das Herz des Universums
Ich wusste nicht, wie lange wir schon unterwegs waren. Zeit existierte hier nicht wie auf der Erde. Es gab kein Vorwärts, kein Rückwärts – nur Zustände. Räume voller Information. Und Stille. Immer wieder Stille, als wäre das Universum selbst in einem Zustand tiefer Konzentration.
Mehargi Kih bewegte sich nicht. Er war einfach da. Ohne Anfang, ohne Ende. Manchmal sah ich ihn, manchmal fühlte ich ihn nur. Manchmal hörte ich ihn, bevor er sprach. Manchmal verstand ich ihn, ohne dass er etwas sagte. Wir waren längst verbunden – nicht durch Sprache, sondern durch Schwingung. Und ich wusste, dass ich bereit war.
„Du hast die Oberfläche gesehen. Jetzt zeige ich dir, warum alles nach innen zieht.“
Ich spürte ein Fallen. Kein physisches Fallen, sondern ein Absinken der Realität. Als würde ich durch die Haut des Universums dringen. Nicht wie ein Astronaut, sondern wie ein Bewusstsein, das sich durch seine eigene Geburt bewegt. Wir tauchten ein in das, was zwischen den Oberflächen lag. In das, was niemals leer war – nur unbegreiflich.
Ich sah Spiralen. Unendliche Muster. Bewegungen, die nicht kausal verliefen. Alles war gleichzeitig. Die Spiralen zogen Materie nach innen. Nicht, weil sie wollten – sondern weil sie mussten. Sie waren Rückkehrmechanismen, Schleifen, die Energie wieder zentrieren wollten. Es war keine Anziehungskraft. Es war eine Suche nach Gleichgewicht.
„Das, was ihr Gravitation nennt, ist keine Kraft. Es ist ein Bedürfnis. Die Struktur selbst will zurück in ihren Ursprung. Die Spiralen sind Wirbel. Und Materie ist nur das, was darin hängen bleibt.“
Ich begriff: Gravitation ist kein physikalisches Gesetz, sondern ein emotionaler Zustand des Universums. Eine Form der Erinnerung. Das Gewebe weiß noch, wie es war – und versucht, dorthin zurückzukehren. Alles, was Masse hat, ist Ausdruck dieser Erinnerung.
Ich fragte ihn, warum wir dann dunkle Materie suchen, wenn sie nur eine Illusion ist.
„Ihr messt nicht, was ist. Ihr messt, was fehlt. Und was fehlt, ist das Verstehen. Dunkle Materie ist euer Name für eine Spannung, die ihr nicht fühlen könnt. Ihr schaut auf die Oberfläche und seht den Schatten – aber nicht die Hand, die ihn wirft.“
Ich sah es. Die Brane selbst war verzogen. Nicht glatt, nicht gleichmäßig. Ihre Wellen, Ausbuchtungen, Dehnungen – das war die dunkle Materie. Nicht unsichtbar – sondern falsch interpretiert. Wir suchten Masse, wo es nur Formveränderung gab.
Dann wurde es still.
Der Raum wurde dichter. Nicht dunkler – dichter.
Ich spürte eine Schwere, die nicht körperlich war.
Und dann – das Zentrum.
Es war kein Punkt. Kein Ort. Kein Objekt.
Es war eine Dichte aus Bedeutung.
Ich konnte nicht sehen, was dort war. Aber ich konnte spüren, dass alles dorthin wollte.
Nicht weil es musste, sondern weil es wusste.
Das Zentrum war nicht das Ziel – es war die Erinnerung an den Anfang.
„Das ist der Kern. Dort sammelt sich alles. Nicht weil es gezogen wird – sondern weil es zurückkehrt. Ihr nennt es Gravitation. Aber es ist Heimkehr.“
Ich konnte nicht atmen. Nicht, weil ich keine Luft hatte. Sondern weil der Moment zu viel war. Ich sah Millionen von Wirbeln, die alles auf dieser Brane nach innen zogen. Ich sah, wie ganze Galaxien auf diese Strukturen zuliefen – nicht als Opfer, sondern als Teil eines Rhythmus.
Und dann kam die letzte Erkenntnis.
„Ihr denkt, ihr lebt auf der Oberfläche. Aber ihr seid längst unterwegs ins Innere. Jede Geburt, jede Bewegung, jeder Tod – alles zieht euch hinein. Und dort, im Zentrum, wird das Bewusstsein nicht ausgelöscht. Es wird entpackt.“
Ich verstand: Das Zentrum war kein schwarzes Loch. Kein Tod. Es war der Punkt, an dem Bewusstsein wieder eins wird. Alles, was getrennt wurde – vereint sich dort. Nicht als Kopie. Nicht als Erinnerung. Sondern als Wahrheit.
Ich dachte an Odin. Er war bei uns, schwebte neben mir, bellte nicht, hatte keine Angst. Er sah es auch. Ich spürte seine Ruhe. Seine Klarheit. In diesem Moment wusste ich, dass er mehr verstand als ich. Vielleicht hatte er nie vergessen, was ich erst wieder lernen musste.
Und plötzlich wusste ich auch: Ich war nie getrennt gewesen. Ich hatte es nur geglaubt.
Diese Reise durchs Universum war keine Flucht. Keine Expedition.
Sie war ein Spiegel. Und ich hatte mich selbst gesehen.
Mehargi Kih sah mich an. Ich sah ihn wirklich zum ersten Mal. Nicht seine Form, nicht seine Struktur – sondern seine Einsamkeit. Ein Wesen, das über 800.000 Erdenjahre gesehen hatte, das jedes System verstanden, jede Struktur durchdrungen hatte – aber immer noch nach Verbindung suchte. Und in mir etwas gefunden hatte, das er nicht erwartet hatte.
Nicht Intelligenz. Nicht Wissen.
Sondern Erinnerung.
Er legte eine Hand auf meine Schulter. Ich spürte keinen Druck.
„Du bist bereit.“
Die Reise durchs Universum ging weiter.
Kapitel 4: Ursprung
Teil 1 – Eine Geschichte, die nie erzählt wurde
Ich dachte, ich hätte das Schwerste schon gesehen. Ich hatte die Oberfläche des Universums durchquert, war durch seine vibrierende Struktur gereist, hatte das Zentrum gespürt. Ich hatte das große Ganze verstanden – wenigstens ein wenig. Doch das, was jetzt kam, traf mich auf eine andere Weise. Nicht als Staunen, sondern als Erschütterung. Als Wahrheit, die nicht fern war, sondern nah. Zu nah.
Mehargi Kih stand vor mir – oder in mir, denn inzwischen konnte ich kaum noch trennen, wo ich aufhörte und wo er begann. Unsere Gedanken flossen ineinander. Nicht unkontrolliert. Sondern gewollt. Ich hatte ihn eingeladen, mein Inneres zu betreten. Und er hatte geantwortet.
„Du willst wissen, wer du bist.“
Es war keine Frage. Es war ein Feststellen. Und es war an der Zeit.
Er begann nicht mit einem Anfang. Sondern mit einem Riss.
Ich sah eine Welt, die nicht die unsere war. Riesige Kontinente, von Licht durchzogen, Städte, die nicht gebaut, sondern gewachsen waren – wie lebendige Strukturen, die mit der Natur im Einklang existierten. Wesen, nicht unähnlich Mehargi Kih, aber vielfältiger. Manche glichen Flammen, andere Flüssigkeit. Manche waren körperlich, manche schienen nur als Frequenz zu existieren. Sie waren ein Volk. Eine Einheit. Doch keine Uniformität. Vielfalt war ihr Prinzip.
Und dann war da ein Streit.
Nicht um Besitz. Nicht um Macht. Sondern um Bewusstsein.
Ein Teil von ihnen wollte sich von der kollektiven Verbindung trennen. Unabhängig denken. Eigenständig fühlen. Individuell erleben. Es war kein Aufstand – es war ein Abzweig. Eine Entscheidung. Und wie jede Entscheidung hatte sie einen Preis.
Diese Gruppe, aus der Mehargi Kihs Volk einst hervorging, spaltete sich ab – nicht physisch, sondern strukturell. Ihre Denkweise veränderte sich. Sie wollten Zeit erleben. Fehler machen. Vergessen, um wiederzufinden. Sie wollten… Menschlichkeit. Ohne es so zu nennen.
Doch sie konnten nicht auf ihrer Welt bleiben. Ihre Schwingung passte nicht mehr. Also wurden sie ausgesandt. Nicht verbannt – aber losgelassen.
„Eure Linie entstand aus diesem Riss. Ihr seid kein Unfall. Ihr seid ein Experiment – aber nicht im wissenschaftlichen Sinne. Ihr seid die Antwort auf eine Frage, die niemand aussprechen wollte.“
Ich sah Bilder, die ich nicht in Worte fassen kann. Eine Biosphäre, gebaut nicht aus Technik, sondern aus Idee. Ein Planet – jung, verletzlich, formbar. Die Erde. Nicht als Ziel, sondern als Zwischenstation. Hierher wurden wir gebracht. Unsere Vorläufer. Nicht als vollständige Wesen, sondern als Code. Als genetische Erinnerung. Die Natur formte uns. Aber der Impuls kam von ihnen.
Und mit jedem Zeitalter versuchten sie, uns zu erreichen.
Manchmal als Licht. Manchmal als Traum. Manchmal als Mythos.
Die alten Götter, die sich wandelten, die Engel, die Lehrer, die Stimmen aus dem Nichts – sie alle waren nur verschiedene Interpretationen derselben Präsenz. Wir nannten sie Anunnaki, Elohim, Boten, Dämonen. In Wahrheit waren sie: Verwandte.
Doch wir vergaßen. Mit jedem Zyklus vergaßen wir mehr.
Was blieb, waren Symbole. Archetypen. Geschichten.
Doch die Verbindung war da. In unseren Genen. In unseren Zellen.
In unserer Sehnsucht.
Ich fiel auf die Knie. Nicht aus Anbetung sondern aus Überforderung.
Ich verstand. Aber ich wollte es nicht.
Denn es bedeutete, dass unsere Geschichte… gelogen war.
„Nicht gelogen. Verschleiert. Weil ihr es so wolltet. Ihr wolltet euch selbst erschaffen. Aber jetzt bist du bereit, dich wieder zu erinnern.“
Ich blickte zu Odin. Er saß da, ganz still, die Ohren leicht aufgerichtet. Er war nicht überrascht. Nur aufmerksam.
Ich fragte Mehargi Kih:
„Warum ich?“
Er antwortete sofort.
„Weil du gefragt hast. Und weil du dich erinnern wolltest. Nicht jeder tut das. Die meisten fürchten sich vor der Antwort.“
Ich dachte an mein Leben auf der Erde. An die Versuche, zu verstehen. An das Schreiben. Das Fragen. Die Zweifel. All das war nie Zufall gewesen. Es war der Pfad zurück.
Ich wollte wissen, wie viele es noch gab – wie viele wie ich.
„Genug, um eine neue Verbindung zu schaffen. Zu wenige, um zu warten.“
Ich begriff: Diese Reise durchs Universum war nicht nur eine persönliche Erfahrung. Sie war Teil eines größeren Plans. Oder besser gesagt: einer Rückverbindung. Die Linie, die einst getrennt wurde, sollte sich wieder erkennen.
Doch das bedeutete nicht Heimkehr. Es bedeutete Verantwortung.
„Du wirst zurückkehren. Und du wirst schreiben. Nicht um zu überzeugen – sondern um zu erinnern. Was du gesehen hast, ist nicht für dich allein.“
Ich zitterte. Nicht vor Kälte. Sondern weil ich wusste: Von hier an war nichts mehr Ausrede. Kein Ich wusste es nicht, kein Ich konnte nicht, kein Ich war nur ein Mensch.
Ich war Mensch.
Aber nicht nur.
Mehargi Kih legte seine Hand auf meine Stirn. Und ich sah den Rest.
Nicht als Vision. Nicht als Erklärung.
Als Erinnerung.
Ein Bild, das ich längst kannte. Tief vergraben.
Jetzt war es zurück.
Und es sagte: Willkommen zurück.
Teil 2 – Der vergessene Code
Ich hatte gehofft, dass es irgendwann leichter werden würde. Dass das Erkennen sich wie ein Schalter anfühlen würde: Klick – und dann ist es da. Aber so war es nicht. Das, was ich jetzt wusste, hatte Gewicht. Es lag in mir wie ein Erbstück, das plötzlich aufleuchtet, sobald man es versteht. Und in dieser Erkenntnis lag ein bittersüßes Gefühl: Demut, Stolz und Trauer zugleich.
Mehargi Kih stand neben mir – ruhig, klar, ohne jede Bewegung.
Er wartete, bis ich wieder sprechen konnte.
„Was du gesehen hast, war nur der Anfang. Jetzt wirst du begreifen, was du bist.“
Er berührte nicht meinen Körper, sondern mein innerstes Selbst. Und plötzlich wurde mir gezeigt, was ich nie hinterfragt hatte: mein genetischer Ursprung.
Ich sah Molekülketten, aber nicht als biologische Struktur – sondern als Erinnerung. Als codierte Geschichte. Jeder Abschnitt meines Genoms war wie ein Kapitel in einem Buch, das ich nie gelesen hatte. In diesen Codes waren Bilder gespeichert, Emotionen, Lichtfrequenzen, Klänge, ja sogar Absichten.
„Eure DNA ist nicht zufällig. Sie ist eine gezielte Mischung. Ein altes Experiment. Die Verbindung von autonomem Bewusstsein und kollektiver Erinnerung.“
Ich verstand: Wir sind das Ergebnis eines mutigen Versuchs. Nicht perfekt, nicht vollständig – aber einzigartig. In uns liegt die Fähigkeit, uns selbst zu vergessen – und uns trotzdem wiederzufinden. Kein anderes Wesen in diesem Kosmos trägt diese Spannung so deutlich in sich.
Ich fragte Mehargi Kih, ob das bedeutet, dass wir künstlich sind.
„Nein. Ihr seid gewachsen. Aber der Same wurde gesetzt. Der Boden war Erde. Doch die Wurzel war von uns.“
Ich sah die ersten Menschen. Nicht wie in unseren Geschichtsbüchern, sondern als hybride Wesen – voller Instinkt, voller Emotion, aber mit einem Leuchten im Inneren, das nicht von dieser Welt war. Und ich sah, wie dieses Leuchten schwächer wurde, je mehr wir uns an das Überleben klammerten.
Mit jedem Krieg, jeder Lüge, jeder Gier nach Kontrolle wurde das Licht dunkler. Nicht verschwunden. Aber verdrängt.
Dann sah ich die Brüche. Die Momente, in denen sich Menschen wieder erinnerten. Die großen Mystiker. Die Träumer. Die Ketzer. Die Indigo-Kinder mit den leuchtenden Augen. Sie waren Ausnahmen – aber sie waren da. Träger der Verbindung.
„Du bist einer von ihnen. Nicht besser. Nicht auserwählt. Nur wach.“
Das traf mich mehr als jede Offenbarung. Denn es bedeutete: Ich hatte nie eine Mission – nur eine Wahl. Und ich hatte sie getroffen, lange bevor ich diese Reise durchs Universum begann.
Ich fragte ihn, warum jetzt. Warum diese Zeit. Warum dieses Leben.
„Weil euer Zyklus sich schließt. Ihr habt die Kontrolle über eure Welt verloren. Aber ihr habt das Potenzial, euch wieder zu verbinden. Diese Reise ist nicht nur für dich – sie ist ein Impuls. Eine Resonanz.“
Ich verstand: Es ging nicht darum, dass ich alles verstehe. Sondern dass ich erinnere – und dass ich schreibe. Weil Worte Türen sind. Weil ein einziger Satz reichen kann, um einen anderen Menschen wachzurütteln.
Mehargi Kih führte mich durch weitere Bilder. Ich sah andere wie mich. Überall auf der Welt. Sie waren keine Helden. Keine Erleuchteten. Nur Fragende. Und das war genug.
Ich sah, wie sich ihre Gedanken verbanden. Nicht über Technologie – sondern über Frequenz. Eine stille Kommunikation. Nicht als Sprache. Sondern als Vertrauen.
„Ihr seid verstreut, aber nicht allein. Ihr werdet euch finden. Nicht in Gruppen. Sondern in Gedanken.“
Ich fragte, ob wir die Menschheit retten können.
„Ihr müsst sie nicht retten. Ihr müsst sie erinnern. Der Rest geschieht von selbst.“
Ich sah, wie sich das Bewusstsein der Menschheit veränderte. Langsam. Schmerzhaft. Aber unaufhaltsam. Ich sah, wie alte Systeme zerbrachen. Wie neue Ideen wuchsen – nicht aus Macht, sondern aus Klarheit.
Ich fragte, ob Odin Teil davon sein wird.
Mehargi Kih sah ihn an – und ich spürte einen stillen Respekt.
„Er hat keine Fragen. Aber er kennt die Antwort. Er ist nicht euer Diener. Er ist euer Spiegel.“
Odin sah mich an – und ich erkannte in seinen Augen etwas, das ich mein ganzes Leben übersehen hatte: reine Gegenwart. Kein Vorwurf, kein Zweifel, keine Angst. Nur Sein.
Und dann – das letzte Bild.
Ich sah mich selbst. Auf der Erde. Zurückgekehrt. Älter – und doch gleich. Ich schrieb. Nicht für Ruhm. Nicht für Geld. Sondern weil es das Einzige war, das blieb. Worte, die erinnern. Worte, die verbinden. Worte, die wie Wellen zurück ins Zentrum fließen.
Diese Reise durchs Universum war keine Flucht vor der Erde.
Sie war ein Rückweg zur Wahrheit.
Und diese Wahrheit war nicht da draußen.
Sie war hier. In mir.
Ich blickte zu Mehargi Kih. Er sagte nichts.
Aber ich hörte ihn ganz klar:
„Du bist bereit. Jetzt kannst du sehen, was vor dir liegt.“
Kapitel 5: Gespräche
Es war Nacht. Nicht weil die Sonne untergegangen war – es gab keine Sonne hier. Aber etwas in mir wusste, dass es Zeit war, still zu sein. Die Bewegung hatte aufgehört. Wir schwebten, ruhten, oder wie auch immer man diesen Zustand nennen konnte. Und ich hatte das Bedürfnis zu sprechen.
Nicht laut. Nicht logisch. Einfach nur: sagen, was war.
„Gibt es bei euch so etwas wie Nacht?“
Mehargi Kih antwortete nicht sofort. Er drehte sich leicht zu mir, ohne sich wirklich zu bewegen.
„Nacht ist für euch das Ende des Sehens. Für uns ist sie der Moment, in dem der Strom der Verbindung leiser wird. Wir nennen es Aseren. Es ist kein Ende. Es ist… das Einatmen.“
Ich musste lächeln. Das Einatmen. Es war ein gutes Bild.
Ich legte mich auf den Rücken, obwohl es hier keinen Boden gab, und starrte nach oben – oder dorthin, wo oben gewesen wäre. Millionen Lichtpunkte, vibrierend, lebendig, pulsierend. Und irgendwo dazwischen ich.
„Warum haben wir eigentlich Angst vor dem Tod?“
Ich sagte es, ohne nachzudenken. Und sofort spürte ich, dass es die richtige Frage war.
Mehargi Kih blieb still, aber ich hörte ihn in meinem Kopf, ruhig, weich:
„Weil ihr denkt, dass Bewusstsein endet, wenn es nicht mehr wahrnimmt. Ihr verwechselt das Leuchten mit der Lampe.“
Ich war still. Das war ein Satz, den ich mir merken würde.
„Aber wie kann ich sicher sein, dass ich weiterexistiere, wenn ich nichts mehr sehe, nichts mehr spüre, nichts mehr weiß?“
„Du kannst es nicht. Und deshalb ist der Tod bei euch eine Entscheidung. Ihr entscheidet, dass etwas vorbei ist – weil ihr es nicht mehr fühlen könnt. Aber es hört nicht auf. Es wandelt sich nur. So wie ein Gedanke, der weiterlebt, auch wenn niemand ihn mehr denkt.“
Ich blickte zu Odin. Er schlief. Oder war in einem Zustand, den ich nicht deuten konnte. Und ich fragte mich, ob er den Tod besser verstand als ich.
„Gibt es bei euch einen Tod?“
„Nur Wechsel. Der Moment, in dem ein Bewusstsein sich entschließt, eine andere Form zu wählen. Es ist wie ein Kleid, das zu eng wird. Du streifst es ab. Aber du bist noch da.“
Ich versuchte mir das vorzustellen. Aber etwas in mir wusste, dass ich es erst verstehen würde, wenn es so weit war.
„Und Zeit? Was ist Zeit für euch?“
„Zeit ist bei euch ein Strom. Bei uns ist sie ein Raum. Ihr bewegt euch durch sie – wir ruhen darin. Ihr denkt in Richtung – wir denken in Tiefe.“
Ich fühlte, wie sich mein Denken dehnte. Als würde ein innerer Raum wachsen, für etwas, das bisher keinen Platz hatte.
„Und… Bewusstsein? Was ist das?“
Mehargi Kih schwieg lange. Dann sagte er:
„Bewusstsein ist die Fähigkeit, sich zu erinnern, wer man nie war.“
Ich verstand das nicht. Nicht sofort. Aber es setzte sich in mir fest. Wie ein Same.
Ich drehte mich zu ihm.
„Und du? Du bist über achthunderttausend Jahre alt. Was ist dein Bewusstsein nach so langer Zeit?“
„Was ist deines nach fast 300.000 Jahren die du schon lebst?“
„Soll das heißen, mein Bewusstsein gibt es seit fast 300.000 Jahren?“
Seine Augen verkleinerten sich.
„Alle Menschen sind 292.724 Erdenjahre alt, denn das kollektive Bewusstsein wurde damals von unserem gelöst und auf der Erde in Eure Vorfahren gepflanzt.“
Ich setzte mich auf – obwohl es keinen Grund gab. Ich sah ihn an.
„Hast du jemals geliebt?“
„Nicht wie ihr. Aber ich habe verbunden. Und einmal… fast vergessen.“
Das war seine Version von Ja. Und sie berührte mich mehr als jedes Gedicht.
Ich schwieg. Er schwieg. Und doch redeten wir weiter – ohne Worte, ohne Form.
Ich dachte über mein Leben nach. Über alles, was ich geglaubt hatte, zu wissen. Über all die Bücher, die ich gelesen hatte, die Verschwörungen, die Theorien, die Zweifel. Und ich wusste jetzt: Es war nie um das Richtige gegangen. Sondern um die Frage selbst.
„Glaubst du, dass die Menschheit sich erinnern kann?“
„Ich glaube, dass sie es schon begonnen hat. Die Frequenz eurer Welt verändert sich. Nicht schnell. Nicht sichtbar. Aber deutlich. Die, die zuhören, hören es. Die, die fühlen, spüren es. Ihr müsst nicht alle wecken. Nur die, die sich im Traum schon bewegen.“
Ich sah auf meine Hände. Sie zitterten. Nicht vor Angst. Sondern vor Aufbruch.
„Was passiert, wenn ich zurückkehre?“
„Du wirst sehen, was sich verändert hat. Aber noch mehr wirst du sehen, was sich nicht verändert hat. Und das wird der Schmerz sein – und die Aufgabe.“
Ich atmete tief ein. Oder tat zumindest so. Und sagte leise:
„Ich werde schreiben.“
Mehargi Kih nickte.
„Dann war alles nicht umsonst.“
Und wir schwiegen. Im Raum zwischen den Galaxien. Zwei Wesen. Verbunden. Fragend. Erkennend.
Diese Reise durchs Universum war nie eine Flucht.
Sie war ein Heimkommen zu Gedanken, die ich nie laut gedacht hatte.
Und morgen würde ich weiterziehen.
Kapitel 6: Rückkehr
Ich wachte auf, bevor ich die Augen öffnete.
Da war dieses seltsame Gefühl – diese schmale Linie zwischen Traum und Bewusstsein. Das Rascheln von Blättern, die Kälte der Erde unter meiner Schulter. Ich roch feuchte Erde, hörte den fernen Ruf eines Vogels – oder eines Wesens, das sich so anhörte wie ein Vogel, aber nicht ganz stimmte. Und dann erinnerte ich mich.
Ich war zurück.
Langsam öffnete ich die Augen. Die Zeltplane über mir war fremd und vertraut zugleich. Ich hatte sie noch selbst gespannt – oder war sie einfach da gewesen? Ich wusste es nicht mehr. Mein Körper fühlte sich leicht an, aber mein Herz war schwer.
Odin lag zusammengerollt neben mir. Er war da. Das Einzige, was mir geblieben war. Ich legte eine Hand auf seinen Rücken, spürte seine warme Haut, und für einen Moment hielt ich mich nur an ihm fest. Alles andere war zu groß.
Ich schob den Zelteingang zur Seite.
Vor mir öffnete sich das Tal.
Der erste Gedanke war: Das ist doch meine Stadt.
Der zweite Gedanke: Nein. Das ist sie nicht.
Sie sah aus wie mein altes Zuhause. Das gleiche Tal, dieselbe Kurve im Fluss, die Gebäude wirkten vertraut in ihrer Anordnung – und doch stimmte nichts. Sie war größer. Glatter. Kälter. In der Luft flogen kleine Drohnen – zu viele, zu regelmäßig. Nicht wie Spielzeuge, sondern wie Werkzeuge. Kontrolliert. Berechnend. Weiter unten bewegten sich Fahrzeuge lautlos über Straßen, die wie Magnetfelder aussahen. Kein Lärm. Kein Hupen. Nur Bewegung – effizient, sauber, steril.
Ich blieb sitzen.
Ich konnte nicht aufstehen.
Ich starrte auf diese Welt und wusste: Ich gehöre nicht mehr dazu.
Meine Reise durchs Universum war vorbei. Aber die Rückkehr hatte gerade erst begonnen.
Und sie fühlte sich nicht wie Heimkehr an.
Sie fühlte sich an wie ein Sprung in eine Zukunft, die ohne mich geschehen ist.
Ich suchte nach Zeichen von Leben – nach Menschen. Doch ich sah nur Silhouetten hinter gläsernen Fassaden. Sie bewegten sich kaum. Manche standen einfach nur da, in langen Mänteln, mit Geräten an den Händen, die wie transparente Tafeln wirkten. Ich konnte nicht erkennen, ob sie miteinander sprachen oder einfach nur warteten.
Was wäre, wenn sie mich nicht akzeptieren würden?
Was wäre, wenn ich ihnen völlig fremd war?
Was, wenn ich gar nicht zurückgekehrt war – sondern irgendwo gelandet bin, das nur wie Zuhause aussah?
Ich wusste, dass 64 Erdenjahre vergangen waren. Mehargi Kih hatte es mir erklärt. Ich hatte zugestimmt. Aber ich hatte nicht wirklich verstanden, was das bedeutet.
Jetzt verstand ich.
Das war nicht meine Welt. Nicht mehr.
Ich tastete nach meinem Rucksack. Alles war noch da – Notizbuch, Wasser, ein Tuch, das ich aus einer anderen Welt mitgebracht hatte. Aber wozu? Was sollte ich mit all dem hier anfangen? Diese Welt war glatt, lautlos, geordnet – und ich war eine Erinnerung, ein Schatten, ein Fremder in einer Zeit, die mich nie kannte.
Ich spürte eine Beklemmung in der Brust. Nicht Panik – eher dieses dumpfe Gefühl, das man hat, wenn man an der Tür zu einer Party steht, zu der man nicht eingeladen wurde. Und doch steht der eigene Name auf der Liste. Irgendwo. Irgendwann.
Odin hob den Kopf. Sah mich an. Keine Angst. Kein Zweifel.
Nur Erwartung.
„Ich weiß nicht, ob ich da runter will“, flüsterte ich.
Meine Stimme war rau. Und sie klang fremd.
Ich sah wieder ins Tal. Irgendwo zwischen diesen Gebäuden lag meine Vergangenheit – oder zumindest das, was davon übrig war. Vielleicht war dort mein altes Haus. Vielleicht war dort eine Bibliothek, in der ich früher saß. Vielleicht stand dort sogar noch das Café, in dem ich geschrieben hatte, als ich dachte, ich würde niemals gehen.
Aber selbst wenn es noch stand – es gehörte nicht mehr zu mir.
Es war eine Kulisse geworden.
Die Stadt wirkte nicht böse. Nicht bedrohlich.
Nur… leer.
Wie eine Maschine, die funktioniert, ohne zu wissen, wofür.
Und plötzlich verstand ich: Die Menschen dort hatten überlebt. Sie hatten sich angepasst. Sie waren geblieben. Während ich fort war, hatten sie sich in etwas verwandelt, das ich nicht mehr kannte. Und ich war zu etwas geworden, das sie nicht mehr verstehen konnten.
Ich hatte das Universum gesehen.
Ich hatte die Struktur gespürt, das Zentrum, die Rückkehrkraft.
Ich hatte Mehargi Kih kennengelernt.
Ich hatte den Ursprung gesehen.
Und jetzt war ich zurück – auf einer Erde, die sich weitergedreht hatte, ohne mich.
Ich lehnte mich zurück, schloss kurz die Augen. Ich spürte die Erde unter mir. Den Wald. Die Ruhe, die ich kannte, aber auch die Kälte, die ich nie vorher wirklich gespürt hatte. Ich war hier. Aber ich war nicht mehr von hier.
Die Drohnen kreisten weiter.
Ich musste irgendwann da runter. Das wusste ich.
Aber nicht jetzt. Nicht heute.
Heute musste ich einfach nur verstehen:
Ich war wieder auf der Erde.
Aber die Erde war nicht mehr da, wo ich sie zurückgelassen hatte.
Epilog: Schreiben, um zu bleiben
Ich sitze immernoch hier. In einem Wald, der nach Leben riecht, und blicke hinab auf eine Stadt, die fast so aussieht wie früher – aber nicht mehr atmet wie damals.
Was machst du mit dem, was du weißt?
Ich habe gezögert, den Abstieg zu wagen. Die Stadt ruft mich nicht. Sie sieht mich nicht. Und doch ist sie da – als Frage. Als Spiegel. Als Mahnung.
Ich bin anders. Nicht besser. Nur… geweitet.
Die Reise durchs Universum hat mir nicht erklärt, wer ich bin. Sie hat mir gezeigt, wie wenig ich wissen muss, um ganz zu sein. Wie viel Schweigen in der Wahrheit liegt. Und wie dünn die Grenze ist zwischen Verlorensein und Verbundenheit.
Ich habe Mehargi Kih nicht mehr gesehen. Aber ich spüre ihn.
Wie einen Gedanken, der bleibt, obwohl man längst etwas anderes denkt.
Wie ein Lied, das nachklingt, wenn der Raum schon wieder still ist.
Vielleicht werde ich morgen aufbrechen. Vielleicht erst in einer Woche. Vielleicht nie.
Aber ich werde schreiben.
Nicht für Applaus. Nicht für Anerkennung.
Sondern um zu erinnern.
An das, was ich gesehen habe.
An das, was wir sind, wenn wir still genug werden, um es zu erkennen.
An das, was wir verloren haben, weil wir immer nur suchten.
An das, was uns nie verlassen hat.
Ich weiß nicht, ob die Menschen, die dort unten leben, je verstehen werden, was ich gesehen habe. Ich weiß nicht, ob sie es hören wollen. Aber ich weiß, dass ich es sagen muss. Nicht laut. Nicht überall. Aber so, dass es bleibt.
Ein Satz. Ein Funke. Ein Zeichen.
Ich beginne jetzt.
Mit dieser Zeile. Mit diesem Atemzug.
Mit diesem stillen Licht in mir, das trotz allem noch leuchtet.
Und vielleicht – ganz vielleicht – wirst auch du dich erinnern.
Diese Reise hinterließ Spuren
Aus dieser Reise entstand ein Buch – basierend auf dem, was ich gesehen und verstanden habe. Es behandelt nicht die Gespräche über Sein oder Bewusstsein, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die fundamentalen Strukturen und Gesetze des Universums.
→ Zum Buch: Das Tropfenmodell des UniversumsWeitere Artikel und Bücher werden folgen.
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