Was wäre, wenn das Leben auf Siliziumbasis existieren würde?

Lesedauer 7 Minuten

Eigentlich schreibt man es mit C: Silicium. So steht es im Periodensystem und in jeder chemischen Fachpublikation. Doch weil das Wort mit Z im Deutschen wesentlich geläufiger ist – und deutlich häufiger gesucht wird – verwenden wir hier bewusst die Schreibweise Silizium. Es geht schließlich nicht um Terminologie, sondern um ein faszinierendes Gedankenexperiment: Was wäre, wenn das Leben auf Siliziumbasis existieren würde?

Diese Frage stellt die Biologie, wie wir sie kennen, auf den Kopf. Denn bisher kennen wir nur einen einzigen Fall von Leben im gesamten Universum – und der basiert auf Kohlenstoff. Wasser, Proteine, DNA, Zellmembranen – all das ist an Kohlenstoff gekoppelt. Aber was wäre, wenn es anders ginge? Wenn Leben auf einem anderen Planeten nicht dieselbe biochemische Grundlage hätte wie auf der Erde? Wenn die Bedingungen so verschieden wären, dass sich ganz neue Prinzipien entwickeln mussten?

Willkommen in der Welt der spekulativen Biologie – und einer Zukunftsvision, die alles verändert.

Warum Kohlenstoff? Und warum Silizium?

Kohlenstoff ist in der Biologie deshalb so zentral, weil es vier Bindungsarme hat und damit besonders stabile und vielfältige Molekülstrukturen bilden kann. Lange, komplexe Ketten und Ringe – die Grundvoraussetzung für das Entstehen von Leben, wie wir es kennen.

Silizium steht direkt unter Kohlenstoff im Periodensystem und hat ebenfalls vier Bindungsarme. Das macht es theoretisch zu einem Kandidaten für alternative Biochemie. Die Idee von Leben auf Siliziumbasis ist daher nicht nur Science-Fiction, sondern auch chemisch zumindest denkbar.

Aber: Siliziumverbindungen sind oft weniger stabil, weniger flexibel und empfindlicher gegenüber Wasser und Sauerstoff. Das heißt: Wenn Leben auf Siliziumbasis existieren würde, dann nicht unter den Bedingungen der Erde. Sondern vielleicht bei höheren Temperaturen, ohne Sauerstoff, unter Druck – oder in komplett anderen Lösungsmitteln als Wasser.

Genau solche Fragen werden auch auf Plattformen wie NASA Astrobiology oder in der Spekulativen-Evolution-Community auf SpeculativeEvolution diskutiert. Dort findet man faszinierende Ansätze zu Lebensformen jenseits der irdischen Logik.

Wie könnte ein Planet mit Siliziumleben aussehen?

Ein Planet mit Leben auf Siliziumbasis müsste sehr wahrscheinlich heißer und trockener sein als die Erde – vielleicht mit Temperaturen zwischen 200 und 400 Grad Celsius, ohne flüssiges Wasser, dafür mit Flüssigkeiten wie Ammoniak, Methan oder sogar geschmolzenem Schwefel. Silizium-basierte Moleküle zerfallen in Wasser deutlich schneller als Kohlenstoffverbindungen – also müsste Wasser dort eine giftige Substanz sein.

Auch Sauerstoff wäre problematisch, da Silizium mit Sauerstoff sehr schnell zu Siliziumdioxid (Quarz) reagiert – also quasi zu Sand. In einer sauerstoffreichen Atmosphäre würde sich Silizium-basiertes Leben in kurzer Zeit „verglasen“. Daher müsste der Planet reduzierend statt oxidierend sein – also eher Methan statt Sauerstoff in der Luft.

Vielleicht hätte ein solcher Planet eine dichte, schwefelhaltige Atmosphäre, brodelnde Ozeane aus flüssigem Ammoniak und eine Oberfläche aus schwarzem Vulkangestein. Kein blauer Himmel, kein grünes Pflanzenleben, keine Tiere im klassischen Sinn. Aber: vielleicht kristalline Organismen, die sich langsam bewegen, wachsen, kommunizieren – ganz anders als auf der Erde, aber dennoch lebendig.

Wären dreibeinige Tiere möglich?

Eine häufige Frage bei spekulativer Biologie ist, warum fast alle Tiere gerade Zahlen an Gliedmaßen haben – zwei, vier, sechs, acht, zehn. Wären dreibeinige Lebewesen auf einem fremden Planeten denkbar?

Physikalisch: ja. Evolutionär: schwierig.

Leben auf Siliziumbasis – fantasievolle Tierart mit mehreren Beinen in Science-Fiction-Welt
Fliegendes oder laufendes Siliziumwesen auf fiktivem Planeten

Der Grund liegt in der Symmetrie und Fortbewegung. Ein Körper mit zwei Beinen kann sich pendelnd fortbewegen. Vier Beine erlauben Gangarten wie Trab oder Galopp. Drei Beine hingegen ergeben eine asymmetrische Bewegungslogik – entweder ein Bein vorne, zwei hinten oder umgekehrt. Stabil wäre das theoretisch, aber biomechanisch weniger effizient – zumindest auf einem Planeten mit Erdschwerkraft.

Doch wenn die Gravitation schwächer wäre – oder die Umweltbedingungen andere Formen der Bewegung begünstigten, etwa Rollen, Gleiten oder Pulsieren – dann könnten drei, fünf oder sieben Gliedmaßen durchaus einen evolutionären Vorteil darstellen. Vielleicht hätte ein Siliziumwesen drei massive Beine, mit denen es langsam über den glühenden Boden schreitet – oder spiralförmige Fortsätze, die es drehen lassen wie ein Bohrer.

Eine lesenswerte Perspektive dazu bietet der Artikel „Was kam zuerst: das Huhn oder das Ei?“, in dem evolutionäre Logik aus einem anderen Blickwinkel betrachtet wird – und genau darum geht es auch hier: Was ist notwendig, und was ist nur Folge von Zufall und Geschichte?

Kommunikation ohne Schall?

Ein weiteres spannendes Gedankenfeld: Wie würde Kommunikation aussehen?

Wenn die Atmosphäre dünn oder dichtflüssig wäre, könnte Schall schlecht oder gar nicht übertragen werden. Vielleicht kommunizieren Siliziumlebewesen nicht durch Sprache, sondern durch Vibrationen, Lichtmuster, Farbveränderungen oder chemische Signale. Vielleicht senden sie infrarote Pulse aus, die von anderen Wesen über thermosensitive Oberflächen empfangen werden.

Oder sie „denken“ nicht in Sprache, sondern in strukturellen Resonanzen – also durch Schwingungen innerhalb ihrer kristallinen Körper. Kommunikation wäre dann nicht linear, sondern gleichzeitig räumlich und rhythmisch. Was heute nach Esoterik klingt, könnte in der Realität eines anderen Planeten vollkommen logisch sein.

Intelligenz ohne Bewusstsein?

Und schließlich: Würden solche Wesen überhaupt ein Bewusstsein im menschlichen Sinne entwickeln?

Vielleicht wäre Intelligenz bei Leben auf Siliziumbasis komplett anders organisiert – dezentral, kollektiv, nicht individualisiert. Vielleicht gibt es keine „Ich“-Perspektive, sondern ein Netzwerk aus Wahrnehmungseinheiten, die zusammen Entscheidungen treffen.

In „Die Illusion des Selbst“ wurde bereits beleuchtet, wie auch das menschliche Bewusstsein nicht so einheitlich ist, wie wir glauben. Auf einem anderen Planeten könnte diese Zersplitterung der Normalzustand sein – oder Bewusstsein ganz fehlen, weil es in der dortigen Evolution nie nötig war.

Leben auf Siliziumbasis – und würden wir es überhaupt erkennen?

Vielleicht existiert es längst – irgendwo da draußen, mitten in einem Sternensystem, das unsere Teleskope gerade noch nicht auflösen können. Vielleicht formt es sich langsam unter einem Eispanzer, auf einem Planeten mit 380 °C Oberflächentemperatur, fern von allem, was wir als „lebensfreundlich“ bezeichnen. Doch selbst wenn es existiert: Würden wir Leben auf Siliziumbasis überhaupt als Leben erkennen?

Leben auf Siliziumbasis – humanoides intelligentes Wesen in futuristischer Umgebung
Hypothetisches humanoides Wesen – Leben auf Siliziumbasis

Unsere Vorstellung von Leben ist eng. Es muss atmen, wachsen, sich fortpflanzen, reagieren. Doch was, wenn diese Prinzipien auf einem anderen Planeten nicht gelten – weil die Bedingungen radikal anders sind? Dann müssten wir nicht nur anders suchen – sondern anders denken.

Energiequellen – wie Siliziumwesen „leben“

Kohlenstoffbasiertes Leben auf der Erde bezieht seine Energie meist aus chemischen Prozessen (Zellatmung, Photosynthese, Gärung). Bei Leben auf Siliziumbasis müssten ganz andere Energiequellen möglich sein.

Mögliche Varianten:

  • Thermische Energie aus unterirdischem Vulkanismus
  • Strahlungsenergie aus elektromagnetischen Feldern
  • Geochemische Oxidation von anorganischen Stoffen (ähnlich irdischen Archaeen)
  • Katalytische Oberflächenreaktionen über kristalline Strukturen

Ein Siliziumlebewesen könnte Energie durch langsames Ausdehnen und Schrumpfen seiner Oberfläche aufnehmen – vielleicht in Form von Mikrowellen oder magnetischer Induktion. Seine Haut wäre dann nicht Schutz, sondern Antenne.

In einem Gedankenspiel auf livescience.com wurde spekuliert, ob „metallorganische“ Lebensformen existieren könnten, deren Energieumwandlung vollständig auf Elektronentransfer über Siliziumoxid-Matrizen basiert – ähnlich den Prinzipien moderner Solarzellen.

Fortpflanzung – ganz ohne Zellteilung?

Die klassische Biologie basiert auf Zellteilung, Sexualität oder Teilung durch Sporen. Leben auf Siliziumbasis könnte andere Wege finden:

  • Kristallwachstum: Ein Individuum „wächst“ durch Anlagerung strukturierter Moleküle und „bricht“ irgendwann in zwei symmetrische Teile.
  • Frequenzkopplung: Zwei Siliziumwesen synchronisieren ihre Schwingungszustände – bei Übereinstimmung bildet sich eine neue Struktur.
  • Lasergetriggerte Selbstreplikation: Unter bestimmten Lichtverhältnissen reorganisieren sich interne Molekülverbände zu neuen „Klonen“.

In der spekulativen Evolution sind solche Mechanismen nicht nur möglich, sondern teils wahrscheinlicher als unsere irdischen Konzepte – denn sie funktionieren auch unter extremen Bedingungen.

Der Domiversum-Beitrag „Hormone im Trinkwasser und wie sie uns schaden“ zeigt, wie empfindlich irdische Fortpflanzung bereits auf kleinste Stoffveränderungen reagiert. Ein Leben auf Siliziumbasis wäre vermutlich robuster, aber viel langsamer – seine Generationszyklen könnten Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern.

Intelligenz – oder etwas ganz anderes?

Stellen wir uns vor: Ein Siliziumwesen lebt unter hohem Druck, kommuniziert durch elektromagnetische Resonanz und nimmt seine Umgebung als thermisches Feld wahr. Seine Reaktionen sind langsam, aber exakt. Es bewegt sich nicht durch Muskelkraft, sondern durch Impulsverschiebung im eigenen Gitterverbund. Ist das intelligent?

Nach irdischen Maßstäben: vielleicht nicht. Aber wenn dieses Wesen komplexe Muster erkennt, sich anpasst, sich erinnert und Ziele verfolgt, dann erfüllt es viele Kriterien für Intelligenz – auch wenn es keine Sprache, keine Werkzeuge und keine Emotionen kennt.

Der Philosoph Thomas Nagel stellte einst die berühmte Frage: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? – und erklärte, dass wir nie ausbrechen können aus unserem menschlichen Bewusstseinsmodell. Für ein Siliziumwesen müssten wir diese Frage erweitern: Wie ist es, ein Bewusstsein zu haben, das nicht einmal neuronale Prozesse kennt?

Ein interessantes Pendant findet sich im Domiversum-Artikel „Die innere Leere überwinden und Selbstverbindung finden“, wo das Konzept der Verbindung ohne Sprache und ohne Gedanken erforscht wird. Vielleicht ist das genau die Brücke, die wir brauchen, um das Fremde überhaupt wahrzunehmen.

Wie würde so eine Welt aussehen?

Ein Planet mit Leben auf Siliziumbasis wäre extrem unterschiedlich zu unserem. Kein Grün, kein Blau, kein Wind, keine Jahreszeiten. Stattdessen:

  • Schwarze oder metallisch glänzende Landschaften
  • Brodelnde Seen aus Ammoniak, Schwefel oder Methan
  • Himmel voller Staub oder elektrisch aufgeladener Partikel
  • Bewegung, wo keine Bewegung sein sollte – Wände, die sich bei Lichtimpulsen verändern
  • Strukturen, die bei bestimmten Temperaturen „erwachen“

Ein Besuch dort wäre für uns tödlich. Aber für dortige Lebensformen wäre unser Planet tödlich – sie würden in Minuten oxidieren, schmelzen, kollabieren. Zwei biologische Welten, beide lebendig, aber komplett inkompatibel.

Und doch ist genau das die Essenz dieser Vision: Dass das Leben nicht an Wasser, Kohlenstoff oder irdische Bedingungen gebunden ist, sondern dass das Universum kreativ ist – radikal kreativ.

Und was, wenn wir es längst übersehen haben?

Vielleicht haben wir auf fernen Monden oder Planeten bereits Strukturen entdeckt, die leben – aber nicht als Leben erkannt. Vielleicht sind manche geologischen Prozesse, die wir als rein physikalisch einstufen, in Wirklichkeit biologisch – nur auf einer Skala, die wir nicht verstehen.

Ein großartiges Beispiel bietet der Mond Titan (Saturn): Dort gibt es Methanseen, Kohlenwasserstoffregen und Eisebenen. Extrem lebensfeindlich für uns – aber vielleicht perfekte Bedingungen für eine Siliziumwelt. Genau dort sucht die NASA in Zukunft mit Missionen wie „Dragonfly“ nach exotischen Lebensformen.

Auch der Exoplanet 55 Cancri e, mit extremen Temperaturschwankungen, einer möglichen Atmosphäre aus Kohlenstoffgasen und glühender Lava, wird als Standort für „alternatives Leben“ diskutiert – siehe etwa auf ESA.int oder im Exoplanet Exploration Portal der NASA.


Lust auf mehr?

Wenn dir dieser Gedankentrip gefallen hat, findest du auf Domiversum noch viele weitere Beiträge, die über das Bekannte hinausgehen:

Fazit: Leben auf Siliziumbasis – denkbar, fremd, faszinierend

Wenn wir über Leben im Universum nachdenken, sollten wir unsere irdischen Maßstäbe ablegen. Nicht alle Lebewesen müssen atmen, trinken, wachsen oder denken wie wir. Vielleicht existiert Leben längst – aber nicht auf Kohlenstoffbasis, nicht in Wasser, nicht bei 20 Grad. Vielleicht lebt es in Lava, atmet Methan, wächst kristallin, denkt in Licht.

Die Idee von Leben auf Siliziumbasis ist mehr als Science-Fiction. Sie zeigt, wie begrenzt unser Denken ist – und wie offen die Natur in ihren Möglichkeiten. Wer weiß, ob wir es je entdecken werden. Aber eins ist sicher: Wenn es existiert, wird es nicht so sein wie wir. Und genau deshalb ist es das spannendste Gedankenexperiment unserer Zeit.


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