
Die Todesstrafe polarisiert. Während sie in vielen westlichen Staaten längst abgeschafft wurde, wird sie in anderen Ländern weiter praktiziert – teils offen, teils im Verborgenen. Der öffentliche Diskurs in Europa und besonders im deutschsprachigen Raum ist dabei eindeutig: Die Todesstrafe gilt als Relikt aus einer dunklen Zeit, als ethisch nicht vertretbar, als unvereinbar mit modernen Rechtsstaaten.
Doch so eindeutig ist das Bild nicht weltweit. Denn die Frage, ob ein Mensch für ein bestimmtes Verbrechen den Tod verdient, lässt sich nicht pauschal beantworten – zumindest nicht aus Sicht derjenigen, die dafür plädieren. Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist nicht nur ein Mittel zur Bestrafung, sondern oft Ausdruck eines bestimmten Gerechtigkeitsverständnisses, eines gesellschaftlichen Selbstschutzes oder eines psychologischen Bedürfnisses.
Dieser Text wagt den Blick auf die Argumente der Befürworter – nicht, um sie zu rechtfertigen, sondern um sie zu verstehen. Wer über die Todesstrafe urteilen will, muss wissen, warum sie befürwortet wird.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter beginnt mit der Geschichte

Der staatlich legitimierte Tod ist kein modernes Phänomen. Bereits im antiken Mesopotamien, im alten Ägypten, in Rom oder China war die Todesstrafe ein Instrument, um Ordnung durch Angst herzustellen. Die Logik war einfach: Wer gegen das Gesetz verstößt, verliert das Recht auf Leben. In fast allen großen Religionen – von der Thora bis zum Koran – ist die Todesstrafe nicht nur erlaubt, sondern teilweise vorgeschrieben. Auch das Christentum kennt sie, selbst wenn es das heute gern verdrängt.
In der Moderne wurde die Todesstrafe zunehmend hinterfragt – aber nie vollständig überwunden. Dass es sie heute noch gibt, ist kein Zufall. Sondern Ausdruck eines tief verankerten Konzepts: dass manche Verbrechen so fundamental gegen das Gemeinwesen gerichtet sind, dass sie mit der Existenz selbst bezahlt werden müssen.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist also nicht nur ein aktuelles Thema, sondern auch ein kulturelles Erbe.
Warum Befürworter die Todesstrafe für notwendig halten
Ein zentrales Argument der Todesstrafenbefürworter ist die Abschreckung. Die Vorstellung: Wenn potenzielle Täter wissen, dass sie im Fall eines Mordes selbst mit dem Tod bestraft werden, schreckt sie das im besten Fall ab. Die Todesstrafe wirkt dann nicht nur als Strafe, sondern als präventive Maßnahme – zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit.
Ein weiterer Punkt ist das Bedürfnis nach ultimativer Gerechtigkeit. Wer ein Kind vergewaltigt und ermordet, wer mehrere Menschen kaltblütig tötet, wer terroristische Akte verübt – der hat, so die Befürworter, jedes Recht auf Mitleid oder Rehabilitierung verwirkt. Die Todesstrafe ist in diesem Verständnis keine Rache, sondern die logische Konsequenz einer moralisch nicht mehr reparablen Tat.
Ein drittes Argument betrifft die Sicherheit der Gesellschaft. Schwerstverbrecher können auch im Gefängnis weiterhin gefährlich sein – durch Einfluss, Kontakte oder Ausbruchsversuche. Die Todesstrafe soll verhindern, dass solche Menschen je wieder eine Gefahr darstellen können.
Auch wirtschaftliche Überlegungen werden genannt. In vielen Ländern verursachen lebenslange Haftstrafen enorme Kosten. Die Todesstrafe erscheint hier – brutal ausgedrückt – als ökonomisch effizientere Lösung.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist also mehr als ein strafendes Symbol. Sie ist für viele ein Schutzmechanismus – für die Gesellschaft, für die Ordnung, für das moralische Empfinden.
Vergeltung als emotionales und psychologisches Bedürfnis
Ein weiterer Aspekt ist der Wunsch nach Vergeltung. Nicht aus Rachsucht, sondern aus dem tief verwurzelten Bedürfnis nach Ausgleich. Wer jemandem das Liebste genommen hat, soll selbst nicht weiterleben dürfen – so argumentieren viele Opferfamilien. Die Todesstrafe erscheint in diesem Licht als letzte verbleibende Form von Gerechtigkeit.
Psychologisch ist dieses Bedürfnis erklärbar. Studien zeigen, dass das Gefühl von Gerechtigkeit eng mit dem Wunsch nach spürbaren Konsequenzen verbunden ist. Wenn ein Täter weiterlebt – möglicherweise sogar im Gefängnis gut versorgt –, empfinden viele das als Fortsetzung der Ungerechtigkeit.
Hier kommt es zur entscheidenden Frage: Ist das Strafrecht ein rein rationales Konstrukt – oder muss es auch das emotionale Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft abbilden?
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist damit nicht nur juristisch oder politisch motiviert, sondern auch psychologisch tief verankert.
Internationale Vergleiche – Wo der Tod noch offiziell ist
Während Europa die Todesstrafe größtenteils abgeschafft hat, sind weltweit noch immer über 50 Länder aktiv in ihrer Anwendung. Besonders häufig genannt: die USA, China, der Iran, Saudi-Arabien – und Japan.
In den USA hängt die Haltung zur Todesstrafe stark vom Bundesstaat ab. Während Kalifornien ein Moratorium verhängt hat, wird in Texas regelmäßig exekutiert. Befürworter berufen sich auf die Gewaltkriminalität, auf die Notwendigkeit von Abschreckung – und auf das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung, das vielerorts tief verwurzelt ist.
China praktiziert die Todesstrafe regelmäßig – mit hoher Frequenz und bei einer Vielzahl von Delikten, darunter Korruption und Drogenhandel. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber Schätzungen gehen von mehreren Tausend Exekutionen pro Jahr aus.
Auch im Iran und in Saudi-Arabien ist die Todesstrafe fest im Rechtssystem verankert – teilweise auf Grundlage religiöser Gesetze. Öffentliche Hinrichtungen, Kreuzigungen, Steinigungen sind dort kein Einzelfall, sondern Bestandteil einer Rechtsauffassung, in der staatliche Macht mit religiöser Autorität verschmilzt.
Japan hingegen überrascht viele. Als hochentwickeltes Industrieland mit liberaler Verfassung führt es regelmäßig Hinrichtungen durch – im Verborgenen, ohne Vorankündigung, ohne Öffentlichkeit. Die Gesellschaft steht mehrheitlich dahinter. Der Konsens: Wer besonders grausam tötet, muss selbst mit dem Tod rechnen.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist also keine Frage von Bildung oder Modernität. Sondern eine Frage von Kultur, Wertesystem und Vertrauen in das eigene Recht.
Wenn das System versagt – Kritik aus den eigenen Reihen
Auch aus der Perspektive der Befürworter ist klar: Die Todesstrafe kann nur dann legitim sein, wenn das Justizsystem zuverlässig, objektiv und frei von politischer oder rassistischer Verzerrung funktioniert. Doch genau hier liegt eine der größten Schwächen – und der stärkste Angriffspunkt ihrer Gegner.
Falsche Urteile, erzwungene Geständnisse, manipulative Medienberichte und strukturelle Diskriminierung können im schlimmsten Fall dazu führen, dass unschuldige Menschen exekutiert werden. Und diese Fälle sind keine Randerscheinung. In den USA wurden seit 1973 über 190 Menschen aus der Todeszelle entlassen – nachweislich unschuldig. Die Dunkelziffer könnte weit höher liegen.
Auch viele Befürworter erkennen das Problem – fordern aber nicht zwangsläufig die Abschaffung der Todesstrafe. Sondern bessere Verfahren. Höhere Beweisanforderungen. Mehr Instanzen. Für sie ist nicht das Prinzip das Problem, sondern die fehlerhafte Ausführung.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter steht und fällt also mit dem Vertrauen ins System. Wenn das bröckelt, bröckelt auch die Legitimation.
Was Befürworter an Alternativen kritisieren
Gegner der Todesstrafe fordern häufig lebenslange Haft als Alternative. Doch auch hier gehen die Meinungen weit auseinander. Befürworter argumentieren: Lebenslange Haft ist keine gerechte Strafe, sondern eine Form administrierten Dahinsiechens – teuer, belastend, inhuman.
Einige sehen darin sogar eine Form verdeckter Folter. Jahrzehntelanges Eingesperrtsein in kleinen Zellen, ohne Aussicht auf Freiheit – ist das wirklich humaner als ein schneller Tod?
Noch radikaler lehnen viele Befürworter den Gedanken der Rehabilitierung ab. Die Vorstellung, dass ein Mensch, der Kinder vergewaltigt oder Serienmorde begangen hat, irgendwann „wieder ein Teil der Gesellschaft“ werden könnte, ist für sie nicht nur naiv – sondern gefährlich.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist in diesem Punkt glasklar: Für bestimmte Verbrechen gibt es keine zweite Chance. Kein Zurück. Kein „Re-Entry“. Nur den finalen Schlussstrich.
Die philosophische Dimension: Wer darf töten – und warum?
Auch große Denker haben sich mit der Frage nach der Todesstrafe auseinandergesetzt. Immanuel Kant forderte die Todesstrafe für Mörder – nicht aus Rache, sondern aus reiner Vernunft. Sein Argument: Wer ein Leben nimmt, stellt sich außerhalb der Rechtsordnung – und kann nur durch seinen eigenen Tod wieder ins moralische Gleichgewicht gebracht werden.
Albert Camus hingegen sah in der Todesstrafe einen irrationalen Akt – einen menschlich überzogenen Versuch, göttliche Gerechtigkeit zu spielen. Michel Foucault kritisierte den Staat, der durch Exekution Macht über Leben und Tod beansprucht und damit zum Symbol systemischer Gewalt wird.
Doch gerade Kant wird von Todesstrafenbefürwortern gern zitiert. Nicht wegen des moralischen Pathos, sondern wegen seiner Logik. Der Mensch ist ein moralisches Wesen. Wer diese Moral aktiv bricht, verliert den Anspruch auf ihre Anwendung.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist also nicht nur ein Werkzeug des Staates – sondern ein philosophisches Konstrukt. Eine Konsequenz auf den radikalsten Bruch mit dem Menschsein selbst.
Was wir über uns selbst lernen, wenn wir die Todesstrafe befürworten
Der Wunsch nach der Todesstrafe offenbart mehr über die Gesellschaft, in der er geäußert wird, als über das Verbrechen selbst. Dort, wo das Vertrauen in die Justiz schwindet, wächst der Ruf nach maximaler Härte. Wo sich Menschen ohnmächtig fühlen, verlangen sie nach Symbolen der Stärke. Wo die Angst überwiegt, entsteht das Bedürfnis nach absoluter Kontrolle.
In autoritären Systemen wird die Todesstrafe oft politisch instrumentalisiert – als Machtgeste. In Demokratien dagegen wird sie meist durch öffentliche Meinung gestützt. Die Legitimation kommt hier nicht von oben, sondern von unten.
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist also auch ein gesellschaftlicher Seismograph. Sie zeigt, wo das Vertrauen endet – und wo das Verlangen nach Ordnung beginnt. Und vielleicht ist das der verstörendste Aspekt: Dass viele Menschen bereit sind, Leben zu nehmen, wenn sie sich dadurch sicherer fühlen.
Fazit: Zwischen Vergeltung und Verantwortung
Die Todesstrafe ist keine Lösung – sie ist eine Reaktion. Eine Reaktion auf das Böse, auf die Angst, auf das Gefühl, dass manche Verbrechen keine andere Antwort verdienen als den Tod.
Befürworter der Todesstrafe handeln nicht immer aus Härte. Oft aus Enttäuschung. Aus Misstrauen. Aus dem Glauben, dass ein funktionierender Staat sich auch in seiner Fähigkeit zeigen muss, Unrecht kompromisslos zu beenden.
Doch gerade hier liegt die Herausforderung: Wie reagiert eine Gesellschaft auf das Unfassbare, ohne selbst die Grenze zum Unmenschlichen zu überschreiten?
Die Todesstrafe aus Sicht der Befürworter ist nicht per se grausam. Sie ist konsequent gedacht – aber konsequent gefährlich. Denn wer einmal legitimiert, töten zu dürfen, muss sich selbst fragen: Wo ist die Grenze? Und wer zieht sie?
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Echte, seriöse externe Quellen zur Todesstrafe:
1. Amnesty International – Zahlen zur Todesstrafe weltweit
https://www.amnesty.de/todesstrafe-hinrichtungen-fakten-faelle-hintergruende
2. bpb – Argumente gegen die Todesstrafe (Bundeszentrale für politische Bildung)
3. Human Rights Watch – Eskalation der Todesstrafe in Saudi-Arabien
https://www.hrw.org/news/2024/10/14/joint-statement-saudi-arabia-escalating-use-death-penalty
4. Tagesschau – Japan vollstreckt Todesstrafe gegen Amokläufer
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/japan-vollstreckung-todesstrafe-nach-amoklauf-101.html
5. Statista – Länder mit den meisten Hinrichtungen weltweit
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153168/umfrage/hinrichtungen-weltweit/
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