Wir leben in einer Welt, in der alles erlaubt ist – solange du dich an die Regeln hältst. Klingt paradox? Willkommen in der Verbotsgesellschaft. Einer Welt, in der Freiheit nicht als Grundrecht, sondern als Risiko betrachtet wird. Einer Welt, in der man dir nicht mehr vertraut, Entscheidungen selbst zu treffen – sondern dich lieber bevormundet, überwacht, einschränkt.
Natürlich gibt es Gesetze, die Sinn ergeben: gegen Gewalt, gegen Diebstahl, gegen Betrug. Doch was passiert, wenn aus sinnvoller Regulierung ein dauerhafter Zustand des Misstrauens wird? Wenn dem Bürger unterstellt wird, er könne ohne ständige Vorschriften nicht verantwortungsvoll leben? Dann entsteht ein Klima der Gängelung – mit immer absurderen Verboten als Symptom einer tief sitzenden Kontrollsucht.
Feuerwerk, Alkohol, Lärm – alles unter Generalverdacht
Beginnen wir mit einem Beispiel, das symbolisch für den aktuellen Trend steht: Feuerwerksverbote. In immer mehr europäischen Ländern wird das private Zünden von Feuerwerkskörpern verboten oder stark eingeschränkt. Ab 2025 soll es z. B. in den Niederlanden flächendeckend verboten sein, zu Silvester privat zu böllern – selbst in ländlichen Gegenden. Begründung: Lärmschutz, Tierwohl, Umwelt.

Was auf den ersten Blick vernünftig klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als pauschales Misstrauensvotum gegen die Bevölkerung. Denn statt zu differenzieren, wird kollektiv verboten – unabhängig davon, ob jemand verantwortungsvoll damit umgeht oder nicht.
Gleiches gilt für Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen nach bestimmten Uhrzeiten. In Deutschland wird das in vielen Städten praktiziert: Nach 22 Uhr darfst du z. B. in bestimmten Parks kein Bier mehr trinken – nicht etwa, weil du betrunken bist, sondern weil andere es sein könnten. Auch hier: Vorbeugung durch Entmündigung.
Ein weiteres Beispiel liefert die Schweiz, wo in einigen Gemeinden das Nächtliche Duschen in Mietwohnungen untersagt ist – offiziell wegen Lärmbelästigung. Wer duscht, riskiert eine Anzeige. Willkommen in der realen Satire.
Skurrile Gesetze aus aller Welt – Kontrolle ohne Maß
Die Verbotsgesellschaft kennt keine Grenzen. Weder geographisch noch geistig. Hier einige der seltsamsten real existierenden Vorschriften weltweit:
– In Singapur ist das Kaugummikauen in der Öffentlichkeit verboten. Verkauf und Besitz sind illegal – außer zu medizinischen Zwecken.
– In Kanada ist es verboten, mehr als 25-Cent-Münzen im Wert von 10 Dollar auf einmal zu benutzen – offiziell, um Automatenbetrug zu verhindern.
– In Venedig darfst du dich nicht auf öffentlichen Stufen hinsetzen – auch nicht kurz.
– In Italien (Eboli) ist das Küssen im Auto verboten.
– In Thailand ist es illegal, das Haus ohne Unterwäsche zu verlassen.
– In Australien darfst du in bestimmten Städten Sonntagsnachmittags nicht Staubsaugen.
– In Dänemark ist es verboten, das Auto zu starten, wenn jemand darunter liegt – dieser Passus steht tatsächlich im Gesetz.
Die Liste ließe sich ewig fortführen. Sie zeigt nicht nur den Grad staatlicher Kontrolle, sondern auch die absurde Selbstverständlichkeit, mit der solche Eingriffe gerechtfertigt werden – meist im Namen der Sicherheit, Ordnung oder Rücksicht.

Wenn Gesundheit zum Hebel der Kontrolle wird
Ein besonders perfider Hebel der Verbotslogik war und ist die Gesundheit. Die Maskenpflicht während der Corona-Zeit, das Verbot, sich mit mehreren Personen draußen zu treffen, Ausgangssperren, Betretungsverbote – alles eingeführt mit dem Argument, die Bevölkerung zu schützen.
Doch was dabei übersehen wird: Schutz kann nicht gegen den Willen des zu Schützenden durchgesetzt werden, ohne dass es zur Entmündigung wird. Wer Menschen behandelt, als seien sie zu dumm für Eigenverantwortung, darf sich nicht wundern, wenn sie sich irgendwann wie Kinder benehmen – oder rebellieren.
Selbst nach der Pandemie ist das Klima geblieben: Gesundheitsministerien behalten Sonderbefugnisse, Notstandsverordnungen wurden verlängert. Die staatliche Macht hat sich ausgeweitet – und der Bürger hat sich daran gewöhnt.
Eine Gesellschaft im Korsett
Der Mensch braucht Regeln – das steht außer Frage. Doch eine Gesellschaft, die sich nicht mehr auf die Mündigkeit des Einzelnen verlassen kann, ist keine freie Gesellschaft. Sie ist ein System, das sich selbst nicht mehr vertraut. Und wer misstraut, verbietet.

Die Verbotsgesellschaft ist keine Fantasie, sie ist Realität. Sie verbirgt sich nicht in den Schlagzeilen, sondern im Alltag: Wenn du nicht mehr selbst entscheiden darfst, ob du um 23 Uhr mit einer Flasche Wein am Fluss sitzt. Wenn du dein Kind nicht ohne Helm Fahrrad fahren lassen darfst – obwohl du selbst so aufgewachsen bist. Wenn du eine Veranstaltung nur durchführen darfst, wenn du vorher 37 Formulare ausfüllst und drei verschiedene Behörden zufriedenstellst.
Ein lesenswerter Beitrag zur Frage, wie moderne Gesellschaften durch Kontrollmechanismen gesteuert werden, findet sich z. B. auf Telepolis, wo regelmäßig über die Ausweitung staatlicher Befugnisse im digitalen und realen Raum berichtet wird.
Auch auf Domiversum wurde bereits thematisiert, wie Selbstbestimmung zunehmend ersetzt wird durch Systeme, die uns vormachen, wir seien frei – zum Beispiel hier.
Wer profitiert von der Verbotsflut?
Die naheliegende Antwort: Bürokratien, Ordnungsämter, politische Instanzen, die Macht ausüben – aber auch Versicherungen, Lobbyverbände und Technologiekonzerne. Denn jedes neue Verbot schafft neue Regelwerke, neue Software, neue Kontrollinstanzen, neue Einnahmequellen.
Was bleibt, ist der Eindruck: Der Bürger ist kein freier Mensch, sondern ein potenzieller Störfaktor, der durch Vorschriften eingehegt werden muss – notfalls mit Zwang.
Die Bestrafungsgesellschaft – wenn Kontrolle zur Einnahmequelle wird
Verbote sind die eine Seite. Die andere ist: Was passiert, wenn du dich nicht daran hältst. Denn in einer Verbotsgesellschaft reicht es nicht, Regeln aufzustellen – sie müssen überwacht, dokumentiert und geahndet werden. Und genau hier zeigt sich die eigentliche Dynamik moderner Systeme: Der Bürger wird nicht nur eingeschränkt, er wird systematisch zur Kasse gebeten.
Die Freiheit, die du dir nimmst, kostet dich – nicht selten bares Geld. Die Bestrafung erfolgt nicht primär moralisch, sondern ökonomisch. Damit ist sie kalkulierbar, planbar, politisch verwertbar.
Bußgelder als Geschäftsmodell
Nehmen wir das deutsche Tempolimit-System: Statt eine klare Begrenzung einzuführen, wie etwa in Schweden oder Norwegen, herrscht in Deutschland ein Flickenteppich aus wechselnden Begrenzungen, die oft kaum nachvollziehbar sind. Und dort, wo Tempo 30 oder 50 gilt, steht – Überraschung – ein Blitzer.
Nicht offen, nicht warnend, sondern versteckt. Die Absicht ist nicht, dich vom Rasen abzuhalten, sondern dich beim Rasen zu erwischen. Damit entsteht eine perverse Logik: Du darfst fahren, wirst aber dafür bestraft.
Warum keine Bodenschwellen, die automatisch abbremsen? Warum keine baulichen Maßnahmen zur Sicherheit? Weil das keine Einnahmen generiert. Blitzer dagegen bringen Geld. Viel Geld. In manchen Kommunen sind Bußgelder fest in den Haushaltsplan eingeplant – als Einnahmequelle. Das ist keine Sicherheitspolitik, das ist fiskalisches Kalkül.
Ein aufschlussreicher Artikel dazu ist bei Focus Online zu finden: Dort wird detailliert beschrieben, wie Städte ihre Blitzereinsätze gezielt auf Einnahmen optimieren – mit Hilfe von Algorithmen, Tageszeit-Statistiken und mobilen Geräten.
Erziehungsmaßnahmen für Erwachsene
Die Bestrafungsgesellschaft geht aber über den Straßenverkehr hinaus. Sie hat sich ausgebreitet in alle Lebensbereiche:
– Wer seinen Müll falsch trennt, zahlt.
– Wer ohne Ticket in der Bahn sitzt, auch wenn ausländisch und ohne Sprachkenntnis, zahlt.
– Wer am falschen Ort parkt, obwohl niemand behindert wird, zahlt.
– Wer während der Pandemie beim Spazierengehen keine Maske trug, zahlte.
Die Logik ist immer dieselbe: Man unterstellt dem Bürger, er wolle sich Vorteile erschleichen – und behandelt ihn entsprechend.
Es ist die staatliche Haltung des Generalverdachts, die dieses System trägt. Der Mensch wird nicht als mündig betrachtet, sondern als manipulierbar, unzuverlässig, eigennützig. Das Strafsystem ist die verlängerte pädagogische Maßnahme – ausgetragen auf dem Rücken von Erwachsenen, die behandelt werden wie pubertierende Schüler.
Sozialer Zwang durch Überwachung
Diese Art der Bestrafung wäre ohne die technischen Mittel nicht möglich. Der Überwachungsstaat liefert die Infrastruktur, um Verstöße in Echtzeit zu erfassen, zu speichern und zu bestrafen – meist automatisiert.
Beispiel: In Frankreich werden mittlerweile akustische Detektoren in Innenstädten eingesetzt, um zu laute Motorräder automatisch zu erfassen – die Strafe kommt per Post, ohne dass ein Beamter anwesend sein muss. In Spanien wird mit Drohnen auf Strandbesucher geachtet, die sich außerhalb der genehmigten Zonen aufhalten. Und in China kennt das System ohnehin keine Gnade mehr – dort sorgt das Social Credit System für eine vollautomatische Erziehungsstruktur.
Ein lesenswerter Überblick zur weltweiten Ausbreitung staatlicher Überwachung findet sich beim Digital Freedom Fund, der regelmäßig aufzeigt, wie technologische Kontrolle mit Strafsystemen verschmilzt – auch in Demokratien.
Strafsteuer statt Freiheit
Die moderne Bestrafung funktioniert nicht mehr über Haft oder gesellschaftliche Ächtung – sondern über Geld. Das klingt zivilisierter, ist aber nicht weniger autoritär. Denn wer nicht zahlt, dem drohen trotzdem Sperrungen, Pfändungen, Sanktionen. Die finanzielle Ahndung ist nur die Fassade einer tiefen strukturellen Macht.
Beispiel: In Deutschland kann ein „wiederholter Schwarzfahrer“ in den Knast kommen – auch wenn er arm ist. Es geht also nicht um Gerechtigkeit, sondern um Gehorsam. Wer sich der Regel widersetzt und die Strafe nicht zahlen kann, wird eingesperrt. Willkommen im modernen Strafvollzug – via Portemonnaie.
Auch im Steuerrecht zeigt sich diese Haltung: Wer vermeintlich zu viel absetzt, zu spät abgibt oder formale Fehler macht, wird bestraft – mit automatisierten Zuschlägen, Gebühren, Verzugszinsen. Die Logik ist nicht: Wie helfen wir dem Bürger, sein Recht wahrzunehmen? Sondern: Wie erinnern wir ihn daran, dass wir das Sagen haben?
Und die Moral?
Die Rechtfertigung der Verbotsgesellschaft ist immer dieselbe: Sicherheit, Ordnung, Verantwortung. Doch was bedeutet Verantwortung, wenn sie nur als Gehorsam gegenüber Vorschriften verstanden wird?
Echte Verantwortung braucht Freiheit. Sie muss Fehler erlauben, Entscheidungen ermöglichen – auch riskante. Eine Gesellschaft, die ihre Bürger wie potenzielle Gesetzesbrecher behandelt, zerstört Vertrauen, Eigenverantwortung und Mündigkeit.
Der französische Philosoph Michel Foucault nannte das „Mikrophysik der Macht“: Die kleinen, alltäglichen Mechanismen, mit denen sich Kontrolle ins Leben einschreibt – nicht durch Gewalt, sondern durch Disziplinierung.
In einem lesenswerten Essay auf Domiversum wurde genau das thematisiert: Wie äußere Regeln oft innere Entfremdung erzeugen. Die Bestrafungsgesellschaft folgt dieser Logik – und verlängert sie ins Finanzielle.
Wer profitiert?
Am Ende stellt sich die gleiche Frage wie im ersten Teil: Wer gewinnt eigentlich in dieser Struktur?
Antwort: Der Staat. Die Behörden. Die Maschine. Das System. Nicht, weil es gerecht ist – sondern weil es profitabel ist. Der Bürger ist längst nicht mehr Ziel – sondern Ressource. Nicht Partner – sondern Objekt der Kontrolle.
Fazit: Die Verbotsgesellschaft – ein System aus Misstrauen, Kontrolle und Strafe
Die moderne Verbotsgesellschaft ist keine Karikatur, sondern Realität. Sie verbietet, was sie nicht versteht, kontrolliert, was sie nicht loslassen will, und bestraft, was nicht in ihre Raster passt. Es ist ein System, das von Misstrauen lebt – gegenüber der eigenen Bevölkerung, der Mündigkeit des Einzelnen und der Idee von echter Freiheit.
Was als Schutz verkauft wird, ist oft Gängelung. Was als Ordnung erscheint, ist manchmal nur die Tarnung für ökonomisch motivierte Strafen. Die Bestrafungsgesellschaft ergänzt diese Dynamik perfekt: Sie macht aus Regelverstößen ein Geschäftsmodell und behandelt freie Bürger wie steuerpflichtige Kleinkinder – stets unter Aufsicht.
Doch wer sich an die immer enger gezogenen Linien nicht mehr hält, der zahlt. Und wer zahlt, zahlt doppelt: mit Geld und mit Würde.
Es geht nicht um Anarchie. Es geht um Verantwortung. Um das Vertrauen, dass Menschen in der Lage sind, selbst zu entscheiden – wann sie feiern, wo sie sich aufhalten, wie sie leben wollen. Wenn Freiheit immer nur dann gewährt wird, wenn sie der Regel gehorcht, dann ist sie keine Freiheit. Dann ist sie eine Lizenz – widerrufbar, bedingt, befristet.
Mehr zum Thema Eigenverantwortung, Überwachung und gesellschaftlicher Anpassung findest du auch im Artikel „Innere Gefangenschaft durch die Matrix“, der aufzeigt, wie äußere Kontrolle zur inneren Norm wird.